Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Stadträtin Martina Blum
Dieses Votum halte ich zwar für die FDP-Fraktion, aber es betrifft uns alle: Denn das Parlament, so wie es hier sitzt, hat nicht nur die Funktion, sich mit Zahlen berieseln zu lassen, Voten zu halten und ab und zu die Hand zu heben. Wir haben die sehr zentrale Funktion, die Arbeit unserer Exekutive zu überprüfen, ihnen Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen.
Hinter jedem von uns sitzen Wählerinnen und Wähler, Winterthurerinnen und Winterthurer, die darauf zählen, dass wir hinschauen. Und zwar kritisch. Es geht hier nicht um Parteien, sondern um Verantwortung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine knapp 4000 Wählerinnen und Wähler mit den 7000 von Olivia Staub, oder den gut 3000 von Maria Lischer, ja vielleicht sogar mit den 3500 von Daniela Roth-Nater thematisch wenig gemeinsam haben. Aber wenn wir sie fragen würden, ob sie von uns erwarten, dass wir genau hinschauen, würden alle sagen: Ja.
Und genau das wird uns immer wieder verunmöglicht.
Heute stehen wir vor drei gewichtigen Ausgabenentscheiden:
Ein Verpflichtungskredit von jährlich wiederkehrend (!) 678tausend Franken, davon 480tausend für die Miete eines Dreifach-Kindergartens und CHF 198tausend für die Miete einer Doppelsporthalle sowie einer einmaligen Investitionen in der Höhe von knapp 37 Millionen –für die Erweiterung der Schulanlage Langwiesen.
Das waren viele Zahlen. Aber was bedeutet das in Relation? Bei einer durchschnittlichen Steuerlast von 2'700.– Franken entscheiden wir heute für 13’877 Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Winterthur, diesen Betrag aufzubringen. Das entspricht etwa der gesamten Bevölkerung von Kreis Töss oder den Quartieren Lind, Altstadt und Heiligberg zusammen. Diese Summen sind nicht einfach ein Eintrag in einer Budgettabelle – sie sind Ausdruck einer finanziellen Verantwortung, die wir gegenüber den heutigen und künftigen Generationen tragen.
Natürlich – es geht um Bildung, um Betreuung, um Sport. Um wichtige Dinge, zweifellos. Doch wir müssen uns fragen: Wie lange können wir uns ein solches Ausgabenverhalten noch leisten? Und mit welchen Folgen für die kommenden Generationen?
Es ist symptomatisch für die aktuelle Planungspraxis in dieser Stadt: Die Projekte werden uns dann vorgelegt, wenn es «höchste Eisenbahn» ist. Die Prämisse lautet: friss oder stirb. Wir haben keine echte Wahl – entweder wir sagen Ja oder wir nehmen in Kauf, dass Infrastruktur fehlt, dass notfallmässig Unterrichtsräume dazu gemietet werden müssen, dass Räume fehlen. Diese Form von Zusammenarbeit lässt kaum Raum für strategische Steuerung, geschweige denn für finanzielle Priorisierung. Und es verunmöglicht es dem Parlament, kritisch hinzuschauen bzw. noch in irgendeiner Form zu handeln. Der Stadtrat beschneidet und mit seinen ständigen Dringlichkeiten in unserer Kompetenz. Wir sind alles Milizparlamentarier – wir haben 7 Exekutivmitgliedern inkl. einer Verwaltung mit ca. 4000 Mitarbeitenden überhaupt nichts entgegenzusetzen.
Dieses Votum ist kein Nein zu Bildung. Kein Nein zu Betreuung. Kein Nein zum Sport. Es geht weniger um den Inhalt der Vorlagen als um die finanzielle Tragweite und die nicht vorhandene Möglichkeit, als Parlament so Einfluss nehmen zu können, wie es die Bevölkerung von uns erwartet. Das Votum ist eine Aufforderung zu mehr Respekt gegenüber diesem Parlament und den Wählerinnen und Wählern, die hinter uns allen stehen.
Wir sind nicht bloss Abnickinstanz für das, was uns von der Verwaltung und dem Stadtrat präsentiert wird. Wir sind die demokratisch gewählte Kontrolle. Unsere Aufgabe ist es, genau hinzusehen. Nachzufragen. Und, wenn nötig, auch einmal den Finger zu heben und zu sagen: So nicht.
Wer zwar Ja oder Nein sagen kann, aber die Konsequenzen bei einem Nein untragbar sind, dem wird die echte Wahl genommen. Der Stadtrat muss über die Bücher, wie er in Zukunft die Bürgerinnen und Bürger von Winterthur, sprich das Parlament rechtzeitig in die Entwicklungsprozesse miteinbezieht und uns über Kosten und Kostenexplosionen informiert, die eine solche Tragweite haben. Alles andere beschneidet das Parlament in seiner Kompetenz.
Vielen Dank.